Der Projektperimeter befindet sich am Rande des alten mittelalterlichen Dorfteil „Plangoula“ gleich neben der alten Dorfmühle. Nur wenige Meter südlich davon liegt der Dorfplatz „Platz“, der an die Hauptstrasse (ehemalige via imperiela) angebunden ist. Von dort aus schlängeln sich verschlungene Pfade zu den verschiedenen Quartieren, die sich wiederum um kleine Brunnenplätze wie Dimvith, Somvith, Chaunt da luf und Fora da changnöls gruppieren. Im 16. Jahrhundert dehnte sich das Dorf über die beiden Bachläufe hinweg aus und umfasste die Quartiere Aguèl und San Bastiaun.
Die Veränderungen im sozialen und wirtschaftlichen Umfeld ab dem 16. Jahrhundert wurden zusätzlich durch die historische Vorschrift von 1561 beeinflusst, die den Bau von Wohngebäuden mit einem Steinmantel vorschrieb, um sie vor Bränden zu schützen. Diese Verordnung hatte indirekt auch Auswirkungen auf die gestalterischen Vorstellungen und Bedürfnisse der Bewohner. Die bestehenden Häuser, zum Teil aus mehreren im klassischen Strickbau errichteten Wohntürmen, sollten nun sowohl Wohn-, Hof- als auch Wirtschaftsgebäude unter einem Dach vereinen. Diese Entwicklung hinterliess einen nachhaltigen architektonischen Einfluss, da sie nicht nur die äussere Erscheinung der Gebäude beeinflusste, sondern auch deren funktionale Gestaltung und innere Struktur prägte.
Die Überdachung des Hofes eröffnet im Untergeschoss die „Cuort“ und im Erdgeschoss den „Sulér“, der als Schlüsselraum fungiert und die zentrale Achse des Hauses bildet. Hier treffen die Treppen aus dem Keller und dem Obergeschoss zusammen, und von hier aus sind die drei angrenzenden Räume zugänglich: die holzgetäfelte „Stüva“ (Stube), die gewölbte „Chadafö“ (Küche) und die geräumige „Chamineda“ (Speisekammer). Die horizontale Anordnung der Räume spiegelt die traditionelle Struktur des Engadiner Hauses wider, während die Verwendung von Holztäfern an den Wänden und Decken als Ersatz für frühere Balkenwände eine Verbindung zur Vergangenheit herstellt.
Der Baukörper und die Anordnung der Nutzungen sind präzise und schlüssig gestaltet, was eine architektonische Interpretation der gestellten Aufgabe hervorbringt. Die neue Schulbaustruktur entfaltet eine klärende Wirkung in dem vom Engadiner Stil geprägten Umfeld. Durch seine Staffelung und Materialwahl fungiert der Baukörper als identitätsstiftender Orientierungspunkt und schafft damit das Potenzial für einen übergeordneten Mehrwert.
Hinter den Haupteingängen erstreckt sich eine grosszügige Erschliessungszone, die beide Teile des Gebäudes nahtlos miteinander verbindet. Von hier aus führen kleine Vorzonen zu den Klassenzimmern sowie zum Mittagstisch, der auf einer Ebene angeordnet ist und die volle Raumhöhe des Erdgeschosses nutzt. Ein herausragendes gestalterisches Element ist die Stütze in der Erschliessungszone, die über alle Geschosse hinweg sichtbar ist und die jeweiligen Gratsparren des asymmetrischen Walmdaches in die Fundamente ableitet. Im Erdgeschoss entsteht im „Herzen des Sulérs“ eine gemeinsame Spielzone. Dank einer klaren Anordnung der Haupt- und Nebenräume sind die Kindergärten effizient organisiert. Die kleinen Erker durchbrechen die Strenge der Primärstruktur und ermöglichen es den Kindern, die Aussenwelt aus einer anderen Perspektive zu erleben.
Insgesamt wirkt das Projekt „Chalanda“ bereits von aussen wie ein sorgfältig gefertigtes Möbelstück, das auf einem massiven Sockel ruht. Dieser Eindruck setzt sich im Inneren fort, wo massgefertigte Möbel und Türen formal schlicht, jedoch konstruktiv präzise aus Arvenholz gefertigt sind.
Das Klima im Oberengadin ist ebenso vielfältig wie die Landschaft selbst. Die klare Bergluft und die weiten Täler schaffen eine Atmosphäre von Reinheit und Frische, die den Geist belebt und die Sinne erfrischt. Wie es in Asta Scheibs Roman „Das Schönste, was ich sah“ von Bice beschrieben wird: «Genau diese Luft ist es, die auch die auch die Farben dieser Landschaft zum Leuchten bringt. Schau, wie die entferntesten Winkel in glitzerndes Gold getaucht werden, wie alles scharf herausgehoben wird vom Hintergrund – und das alles unter dem blausten Himmel, den man sehen kann!»
Die trockene Atmosphäre des Oberengadins bietet eine vorteilhafte Umgebung für Holzfassaden. Aufgrund des geringen Feuchtigkeitsniveaus in der Luft besteht ein geringeres Risiko für Feuchtigkeitsschäden wie Verrottung, Schimmelbildung oder Pilzbefall, was dazu beiträgt, die Lebensdauer der Holzfassade zu verlängern.
Das Projekt „Chalanda“ schöpft aus den reichen kulturellen Schätzen vergangener Epochen. Benannt nach dem romanischen Lied „Chalandamarz, Chaland’avril“, einem zarten Fragment dieser reichen Identität, strebt das Projekt danach, diese tiefe Verwurzelung einzufangen und in eine zeitgemässe Komposition zu verwandeln. Hierin liegt der Beitrag zur Bewahrung und Fortführung dieses einzigartigen Erbes.